Nachhaltigkeit bleibt ein Schlüsselfaktor für die Versicherungswirtschaft

- Versicherer fordern weniger bürokratische und klarere Richtlinien, um sich stärker auf nachhaltige Praktiken konzentrieren zu können
- Klimawandel wird als Chance und Risiko für neue Geschäftsmodelle und Innovationen angesehen
- Versicherer sind mehrheitlich noch nicht bereit, Dekarbonisierungsziele im Bereich Underwriting zu setzen und so ihr Geschäftsmodell im Kern zu transformieren
Frankfurt, Leipzig, 11.09.2025 – In Zusammenarbeit mit der V.E.R.S. Leipzig hat EY die Stu-die „Wirtschaftsfaktor Klimawandel und Nachhaltigkeit – Wie gelingt eine erfolgreiche Transformation im Spannungsfeld zwischen Regulatorik und Versicherungspraxis?“ erstellt. In dieser wurden Vorständ:innen sowie leitende Repräsentant:innen aus dem Bereich Nachhaltigkeit von Erst- und Rückversicherungsunternehmen in Deutschland und Österreich um ihre Einschätzungen zum Status quo von Nachhaltigkeit im eigenen Unternehmen gebeten. Ziel war es, strategische Trends in Bezug auf die nachhaltige Transformation der Versicherungswirtschaft zu identifizieren. Zu ausgewählten Themenstellungen wurde außerdem die politische Perspektive in die Studie einbezogen.
Nachhaltigkeit wird zum festen Bestandteil der Unternehmenspraxis
Die aktuelle Studie zeigt, dass Versicherer heute souveräner auf Nachhaltigkeitsanforderungen reagieren als noch vor einigen Jahren, auch wenn die Bedeutung leicht gesunken ist. Der Grund: Globale Herausforderungen wie Klimawandel und soziale Ungleichheit sind weiterhin existent und zwingen die Versicherungsbranche, ihre Geschäftsmodelle (neu) zu adjustieren. Politische Initiativen wie der europäische „Green Deal“ verstärken diesen Trend. Nachhaltigkeit bleibt daher ein zentrales Thema; sie ist in vielen Unternehmen fest verankert und beeinflusst Strategien sowie Strukturen.
„Die Versicherungswirtschaft hat im Umgang mit Nachhaltigkeit einen Reifeprozess durchlaufen: Regulierung bleibt ein wesentlicher Impulsgeber, immer mehr Unternehmen begreifen Nachhaltigkeit als festen Bestandteil ihrer Geschäftsmodelle und langfristigen Wertschöpfung“, erklärt Prof. Dr. Fred Wagner, Vorstand des Instituts für Versicherungswissenschaften e. V. an der Universität Leipzig und Co-Autor der Studie.
Regulatorische Vorgaben als Haupttreiber
Für die meisten Versicherer bleiben regulatorische Vorgaben, z. B. das Thema CSRD, der wichtigste Antrieb für ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten. Sie erkennen den Nutzen einheitlicher Standards an, bemängeln jedoch oft fehlende Klarheit und praxisferne Vorgaben. 94 Prozent erwarten von der Politik daher mehr Entbürokratisierung – die ersten Omnibus-Pakete wer-den daher überwiegend positiv bewertet.
Aber: Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen auch, dass Nachhaltigkeit für Versicherer mehr als nur eine regulatorische Pflicht ist. Das Thema wird zunehmend als strategische Chance angesehen, nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Nachhaltigkeit wird von der Branche als Mittel der aktiven Zukunftsgestaltung angesehen.

Underwriting: zwischen Fortschritt und Nachholbedarf
Während Net-Zero-Ziele in Kapitalanlage und Geschäftsbetrieb bereits definiert und teils um-gesetzt sind, bleibt das Kerngeschäftsfeld Underwriting bislang weitgehend außen vor: 77 Prozent der befragten Unternehmen – sowohl mittlere als auch kleinere Gesellschaften – haben noch kein Net-Zero-Ziel festgelegt. Als Gründe nennen sie unter anderem begrenzte Einflussmöglichkeiten auf Kundenemissionen und fehlende Methodiken. Auch in der Schadenbearbeitung und bei Klimawandel-Transitionsplänen besteht Nachholbedarf. Eine zentrale Hürde ist und bleibt zudem die Verfügbarkeit verlässlicher ESG-Daten: Während Unternehmen im eigenen Geschäftsbetrieb vergleichsweise gut vorankommen, fehlen insbesondere in der Kapitalanlage und im Privatkundengeschäft belastbare Informationen.
Internationale Rahmenbedingungen beeinflussen die Branche
Kritisch betrachten die befragten Versicherer auch die geopolitischen Entwicklungen. Vor diesem Hintergrund wird damit gerechnet, dass nachhaltige Kapitalanlagen an Relevanz verlieren, während der regulatorische Druck hoch bleibt. Beim Thema Diversity, Equity & Inclusion (DEI) zeigt die Branche jedoch klare Beständigkeit: Rund drei Viertel der Versicherer planen, ihre DEI-Politik unverändert fortzuführen, elf Prozent wollen sie sogar ausbauen. Kein Unternehmen plant einen Rückzug. Damit bleibt DEI langfristig verankert, unabhängig von internationalen Gegenbewegungen.
„Versicherer stehen vor einer Reihe von Herausforderungen. Dazu zählen die zuverlässige Beschaffung von ESG-Daten, die komplexe Regulierungslandschaft und globale politische Veränderungen. Alle drei erschweren die Anwendung von ESG-Strategien, erhöhen (wahrgenommene) Risiken und verringern Investitionsmöglichkeiten,“ fasst Armin Henatsch, EY Partner, Insurance Consulting, zusammen.
Nachhaltige Transformation braucht bessere Rahmenbedingungen
Die Studienergebnisse zeigen: Versicherer treiben die nachhaltige Transformation zunehmend voran, doch komplexe Vorgaben und politische Unsicherheiten erschweren die Umsetzung. Für langfristigen Erfolg braucht es klare und verlässliche Rahmenbedingungen. In Richtung Politik hebt die Branche den Anpassungsbedarf von regulatorischen Anforderungen her-vor und betont, dass Vorgaben künftig präziser und praxisnäher gestaltet werden müssen. Die Notwendigkeit ist seitens der politischen Verantwortlichen klar erkannt – an einer Optimierung wird gearbeitet.